Stellungnahme der Fachschaft Archäologie der Universität Leipzig zu der geplanten Einstellung der archäologischen Studiengänge in Leipzig
Mit größter Besorgnis haben die Studierenden der Archäologie in Leipzig den Jahreswechsel begangen. Die am 30.11.2023 in einem Gespräch über die „Zukunft der Archäologie“ angekündigte Planung der Einstellung der beiden einzigen sächsischen archäologischen Studiengänge Archäologie und Geschichte des Alten Europa B.A. und Archäologie der Alten Welt M.A. scheint nun nach fast 10 Jahren das Schicksal der Archäologie in Leipzig zu besiegeln. Zu dem Treffen am 30.11.2023 hatten der Prorektor für Talententwicklung: Lehre und Studium Prof. Dr. Gläser und der Dekan der Fakultät für Geschichte, Kunst- und Regionalwissenschaften (GKR) Prof. Dr. Denzel geladen. Gegenüber den zahlreich erschienen Studierenden und Mitarbeiter:innen der in diesen Studiengängen involvierten Fächer wurde erklärt, dass die Studiengänge auslaufen werden und zum Wintersemester 2024/2025 ein Immatrikulationsstopp für den Bachelorstudiengang verhangen wird, die Einschreibung in den Masterstudiengang soll im darauffolgenden Jahr eingestellt werden. Grund dafür sei ein erhebliches Deputatsdefizit, das durch den voraussichtlichen Weggang der Juniorprofessorin für Archäologie des Mittelmeerraumes aufgrund der Rufannahme an eine andere Universität und den damit verbundenen ersatzlosen Wegfall dieser Stelle verstärkt wird. In der Folge werden die beiden archäologischen Fächer Klassische Archäologie und Ur- und Frühgeschichte auslaufen. Das dritte Fach, die Alte Geschichte, bleibt bestehen.
Dies ist nicht das erste Mal, dass die Archäologie in Leipzig auf der Kippe steht: bereits 2014 sollte das Fach Klassische Archäologie weggekürzt werden. Nur wegen massiver Proteste der Studierenden blieb es – wenn auch mit erheblichen Einbußen – erhalten. Die Professur lief 2017 aus, dafür wurde die Juniorprofessur Archäologie des Mittelmeerraumes zugeteilt und 2021 auch endlich besetzt. Wie es nun vom Dekanat und dem Rektorat hieß, sei dies schon immer als einmalige Maßnahme geplant gewesen. Das wirft allerdings die Frage auf, warum der 2018 als Reaktion auf den Stellenabbau eingeführte Studiengang Archäologie und Geschichte des Alten Europa trotzdem bewilligt wurde, auch wenn das Dekanat nun sagte er „rechnete sich nicht“. Der Studiengang ist bis heute äußerst beliebt und zählt mit 50-60 Erstsemestern jährlich zu einem der erfolgreichsten in der Fakultät GKR.
Aber bereits 2021 wurde die personelle Ausstattung durch nur unzureichende Zuweisung aus Mitteln des Zukunftsvertrag Lehre und Studium stärken, die zu einem Verlust von 1,75 vollen Stellen im Mittelbau der Archäologien führten, weiter reduziert. Darauf wurden sowohl die Fakultät als auch das damalige Rektorat hingewiesen, letzteres antwortete, dass die Fakultät „keine Kapazitätseinbußen im Rahmen der Stellenzuweisungen aus dem Zukunftsvertrag zu verzeichnen“ habe.
Zeitgleich zu den personellen Einschnitten von 2021 wurde das Akkreditierungsverfahren der archäologischen Studiengänge begonnen. Das Gutachten, das dabei entstand, monierte insbesondere die unzureichende personelle Ausstattung, inhaltlich wurde der Studiengang aber für gut befunden. Trotzdem wird er – wie der Dekan in der Gesprächsrunde mitteilte – nicht akkreditiert. Dabei wurde allerdings verschwiegen, dass die Akkreditierung nicht verweigert, sondern schlichtweg nicht beantragt wurde. Dabei ist neben der oben bereits erwähnten guten Auslastung wichtig, dass eine Vielzahl der Absolvent:innen auch tatsächlich im Fach beschäftigt wird und dadurch eine hohe Employability gegeben ist.
Statt wie im Gutachten gefordert, die Archäologie zu unterstützen, plant das Dekanat für 2024 weitere Einschnitte durch das ersatzlose Auslaufenlassen zwei weiterer halber Stellen im Mittelbau, die aus den Mitteln des oben genannten Zukunftsvertrags finanziert wurden. Die Mittel werden stattdessen zur Verteilung an die gesamte Fakultät freigegeben. Auch die Juniorprofessur für Archäologie im Mittelmeerraum soll, nachdem die bisherige Stelleninhaberin einen Ruf an eine andere Universität erhielt, wieder dem Rektorat zugeführt werden. Damit wird dem Lehrbereich Klassische Archäologie nur noch der Kustos des Antikenmuseums verbleiben, der die grundständige Lehre im Schwerpunkt nicht alleine stemmen kann.
Zusätzlich wurde von Prorektor Gläser verkündet, dass mit der Ablösung der Professur für Ur- und Frühgeschichte durch die Professur für Digitale Archäologie Mitteleuropas, auch der zweite Schwerpunkt ab 2026 nicht mehr als Fach existieren werde. Inwieweit die Juniorprofessur für Digitale Archäologie die grundständigen ur- und frühgeschichtlichen Inhalte zusätzlich zu den lehrstuhleigenen Aufgaben und Schwerpunkten anbieten kann, ist unsicher. Somit würde neben der Klassischen Archäologie auch die Ur- und Frühgeschichte, die auch während der gesamten Dauer der DDR als Lehrstuhl Bestand hatte, wegfallen. Mit der Frage konfrontiert, warum man denn trotz des schon lange bekannten Defizits dieses Jahr über 50 Studierenden immatrikuliert hat und ob dabei nicht unverantwortlich gehandelt worden sei, wurde eine versäumte Frist als Begründung vorgeschoben.
Auf Nachfragen der Anwesenden, wie denn nun konkret die Zukunft der Archäologie aussehen soll, gab es nur unkonkrete Aussagen. Eine Vertretung der Juniorprofessur Archäologie des Mittelmeerraumes sei geplant, man habe dazu mehrere Optionen. Eine besteht in einer tatsächlichen Vertretung der Stelle, die finanziellen Mittel seien aber nicht sicher. Die andere Option wäre der Einsatz von Lehraufträge, was dem Sächs. HSG §68 (1) widerspricht. Kurz wurde eine Initiative des Faches genannt, die allerdings gleich mit dem Verweis auf mangelnde finanzielle Mittel abgebügelt wurde. Ein geplanter Verbundstudiengang, der bereits seit 2014 immer wieder im Gespräch ist und dessen konkretes Konzept dem Fachschaftsrat auch vorliegt, wurde nicht vorgestellt, sondern auf ein weiteres Treffen im Januar verlegt. Der favorisierte Plan des Dekanats und Rektorats besteht in der Einführung des oben genannten Verbundstudiengangs unter dem Arbeitstitel Antike Kulturen oder Antiker Orient. Der Arbeitstitel überrascht besonders, wenn man bedenkt, dass die Fakultät sich selbst erst vor wenigen Jahren von Geschichte, Kunst- und Orientwissenschaften in Geschichte, Kunst- und Regionalwissenschaften umbenannt hat. Der Studiengang befindet sich bereits in den konkreten Planungen, die Studienkommission hierfür soll bald zusammengesetzt werden, die Fachschaftsräte der beteiligten Fächer wurden bereits angefragt. Es handelt sich also nicht um ein Konzept, das in den kommenden Monaten entwickelt wird, wie die Universität versichert. Schon vor Wochen wurden Dozierende angefragt, gezielt Module für diesen Studiengang zu entwickeln. Die archäologischen Inhalte sollen deutlich verknappt werden. Nach dem bisherigen Konzept ist so keine Anschlussfähigkeit an weiterführende Studiengänge anderer Universitäten — ein weiterführender Master in Leipzig ist bislang noch nicht in konkreter Planung — oder an die Arbeitswelt sichergestellt.
Ausführliche, wenn auch nicht aufschlussreiche, Antworten gab es erst als Reaktion auf den Start einer Petition und die Enthüllung eines Banners durch die Studierenden gegen die geplante Einstellung der archäologischen Studiengänge am 04.12.2023. Der Pressesprecher der Universität Carsten Heckmann widersprach zum einen dem Prorektor und Dekan, in dem er versicherte: „Eine Streichung des Studiengangs ist nicht geplant, stattdessen soll das Fach weiterentwickelt werden“. Wie genau das mit dem Wegfall der beiden Schwerpunkte vereinbar ist, ließ er offen. Dies läge zum einen an inhaltlichen Gründen, zum anderen an den “endlichen Ressourcen“, wobei er verschwieg, dass sie eine Folge der Zuweisungen des Rektorats sind. Im Bezug auf den Einschreibestopp äußerte er, dass er zum einen noch nicht beschlossen sei, aber gleichzeitig auch zunächst einmalig geplant sei. Demgegenüber hat das Studienbüro der Fakultät GKR u.a. den Fachschaftsrat zu einem Gespräch geladen um über die Auswirkungen des Einschreibestopps und die Übergangsregelung zu informieren, die den noch eingeschriebenen Studierenden eine Beendigung des Studiengangs ermöglichen sollen. Gerade letzteres zeigt, dass der Immatrikulationsstopp entgegen den Behauptungen des Rektorats zur Einstellung des Studiengangs führen soll. Die neueste Entwicklung durch das oben erwähnte Gespräch plant nun auch von Seiten des Dekanats einen angeblich lediglich einmaligen Immatrikulationsstopp, der von den Studierenden der Studienkommissionen beschlossen werden soll. Auch wenn die Studienkommission nur Vorschlagsrecht besitzt und die endgültige Entscheidung über ein Aussetzen der Einschreibungen – ob einmalig oder dauerhaft – im Fakultätsrat gefällt wird, wurde in dem Gespräch bereits betont, dass die Studierenden bei einer Ablehnung ihr künftigen Kommiliton:innen “ans Messer” liefern würden. Es scheint ganz so, als wolle das Dekanat sich hierbei aus der Verantwortung ziehen. Die Universität betont zwar, „Alle aktuell eingeschriebenen Studierenden werden ihr Studium selbstverständlich zu Ende führen können. Das stellen wir sicher.“, auf die Frage, wie dies erfolgen soll, blieb sie bislang aber eine Antwort schuldig. Die Zusage, dass die bereits eingeschriebenen Studierenden ihr Studium hier zu Ende führen können, ist auch nicht aus Herzensgüte erfolgt, es handelt sich um einen Rechtsanspruch, der eindeutig aus dem Sächs. HSG hervorgeht. Auch die Versicherung „Es wird weiterhin Archäologie an der Universität Leipzig geben“ geht an den Kritikpunkten der Studierenden vorbei: nominell mag die Universität auch mit dem geplanten Verbundstudiengang Antike Kulturen / Antiker Orient eine Archäologie behalten, eine adäquate vollwertige und qualitätsvolle Ausbildung wird dies aber nicht sein. Damit wird es – auch nach Aussage des Dekans – keinen archäologischen Studiengang mehr in Sachsen geben. Folglich haben die gegensätzlichen Aussagen, die von Seiten der Universität erfolgen, nicht den Eindruck erweckt, man nehme Rücksicht auf die Bedenken der Studierenden oder folge einem durchdachten Konzept.
Aber auch die Versicherung des Rektorats, dass man die Archäologie als Fach an der Universität Leipzig halten wolle, legt das offensichtliche Unverständnis für die Fachtraditionen und Sorgen der Studierenden offen. Es handelt sich bei der Archäologie um kein einheitliches Fach mit einer einzelnen Fachidentität, sondern um verschiedene archäologische Fächer, die aus unterschiedlichen Fachtraditionen hervorgingen. Den geplanten Verbundstudiengang Antike Kulturen/Antiker Orient mit dem Konzept der im englischen Sprachraum verbreiteten Classics gleichzusetzen, zeugt ebenso von einer gewissen Unkenntnis: Unter Classics wird der Zusammenschluss von Altphilologie, Alter Geschichte und Klassischer Archäologie verstanden. Die Ur- und Frühgeschichte, aber auch die Ägyptologie und Altorientalistik hätten darin keinen Platz. Die Übertragung des im angelsächsischen Raum etablierten Studiengangs würde zudem die jahrhundertelange Entwicklung der im deutschsprachigen Raum etablierten Fächer Klassische Archäologie und Ur- und Frühgeschichte über Bord werfen. Damit verbunden sind nicht nur bloße Namen, sondern Forschungstraditionen und Denkmuster, die so verloren gehen würden. Hinzu kommt, dass durch einen so breit aufgestellten Studiengang, wie die Universität Leipzig ihn plant, keine grundständige und vollwertige archäologische Ausbildung mehr gegeben ist.
Die völlige Absurdität dieser Entwicklung, zeigt sich auch an der am 05.12.2023 durch die Universitätsgesellschaft Freunde und Förderer der Universität Leipzig e.V. verliehenen Auszeichnung an das Forum „Take 5“. Die Initiative, die sich aus fünf universitären Sammlungen – zwei maßgeblich Beteiligte in der Archäologie – zusammensetzt, hat in diesem Jahr den Hauptpreis für Transfer für besonderes Engagement für die Alma Mater bekommen. Ohne studentisches Engagement, durch die nun zur Einstellung vorgesehenen Studiengänge, wäre ein solches museumspädagogisches Angebot aber unvorstellbar. Auch der mit dem Wolfgang-Scheuffler-Forschungspreis zur Förderung von Wissenschaft und Forschung für seine hervorragende Dissertation in der Theologie zum Thema “Aschdod und Jerusalem. Eine archäologische und exegetische Untersuchung zu den Beziehungen von südpalästinischer Küstenebene und judäischem Bergland” ausgezeichnete Dr. Felix Hagemeyer ist Student im bald eingestellten Master Archäologie der Alten Welt.
Wie die Rektorin Prof. Dr. Obergfell feststellte, gibt es also sehr wohl eine lebendige Archäologie an der Universität Leipzig. Die Frage ist aber, wie lange noch.
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